Eltern haften für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt. Dies hat der BGH (Bundesgerichtshof) mit Urteil vom 15.11.2012 entschieden. Damit liegt nunmehr eine höchstrichterliche Entscheidung vor, die weitreichende Bedeutung haben dürfte. Hatten doch bisher die Gerichte die Problematik der Störerhaftung im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen Minderjähriger sehr unterschiedlich beurteilt. Im vorliegenden Fall hatte ein 13 Jähriger mehrere Audiodateien illegal zum kostenlosen Download angeboten. Die Rechteinhaber erstatteten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die ermittelte IP-Adresse mit. Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung der Eltern wurde im August 2007 der Computer des 13 Jährigen beschlagnahmt und festgestellt, dass auf dem PC Tauschbörsenprogramme installiert waren. Im Ergebnis einer Abmahnung gaben die Eltern des Jungen eine Unterlassungserklärung ab, weigerten sich jedoch, Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.
Das Landgericht Köln hatte mit Urteil vom 30. März 2011 der Klage der Rechteinhaber stattgegeben und die Eltern wegen Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Schadensersatz (für das öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen in Höhe von 200 € je Titel, insgesamt 3.000 €) und der Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € verurteilt. Die Berufung der Eltern vor dem Oberlandesgericht Köln blieb ohne Erfolg. Das Gericht bestätigte vielmehr die erstinstanzliche Entscheidung, da die Eltern nach Auffassung des Senats nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das illegale Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden haften. Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung u.a. auch damit, dass die Eltern die Einhaltung der von ihnen aufgestellten Verhaltensregeln für die Internetnutzung nicht – wie von ihnen behauptet – kontrolliert hätten. Außerdem hätte ihr Sohn die Filesharingsoftware nicht installieren können, wenn tatsächlich eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert und bezüglich der Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung“ gestellt gewesen wäre.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts nunmehr aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die vom Oberlandesgericht und der Vorinstanz an die Eltern gestellten Anforderungen seien sehr hoch. Den Entscheidungen habe ein „Idealelternpaar“ Modell gestanden, das „mit allen Wassern gewaschen“ sei und sich am Computer ebenso auskenne wie im Urheberrecht.
Nach Ansicht des BGH genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (zumindest teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen seien Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.
Das BGH-Urteil orientiert sich damit an den tatsächlichen Begebenheiten. Die Anforderungen, die die Gerichte bisher überwiegend an die Überwachungspflichten und die Computerkenntnisse der Eltern gestellt hatten, waren so enorm hoch, dass sie von vielen Eltern gar nicht erfüllt werden konnten.
Jedoch bedeutet dieses Urteil nicht, dass sich betroffene Eltern völlig sorglos zurücklehnen können. Denn nicht auf jeden Fall ist dieses Rechtsprechung ohne weiteres übertragbar. Hier ist jeweils eine Einzelfallprüfung zuvor unabdingbar. Auch ist noch vollkommen offen, wie sich die Musikindustrie und die Abmahnkanzleien zukünftig verhalten werden. So wäre es möglich, dass diese nunmehr direkt gegen die Kinder vorgehen. Wobei anzumerken ist, dass die eigenen Kinder nicht konkret belastet werden müssen. Auch besteht für die Eltern hinsichtlich der zuvor erfolgten Belehrung nach wie vor eine erweiterte Darlegungspflicht. Unklar ist noch, wie diese vom BGH geforderte Belehrung rechtssicher auszusehen hat.